Sonntag, 20. April 2014

Flache Tiefen und Hohe Höhen

Eine meiner liebsten Freundinnen wünschte mir zu meiner Abreise ,,nur ganz flache Tiefen, denn die gehören dazu" und ,,ganz hohe Höhen, denn es wird toll, so oder so".
- Beides ist in den letzten Tagen eingetreten. 

Nach zwei durchfrorenen Nächten (Dienstag + Mittwoch) muss ich mir zwei Dinge eingestehen, die ich grundlegend unterschätz habe:

1. Die Kälte. 
Seitdem ich meine Winter in Thailand verbringe bin ich ein richtiges Mimöschen geworden, was Temperaturen unter und um Null Grad betreffen.  Die Kälte steckt mir am nächsten Tag in den Knochen. Die vier Stunden fehlender Schlaf ebenfalls. Es ist verblüffend, wie der Körper aus Angst zu erfrieren, den Schlaf unterbricht. 

2. Scheuerstellen für Mensch und Tier.
Ich habe Blasen. Blutige Blasen. An den Fersen. Ja. Bitte etwas Mitleid. Danke. 
Der Witz: Ich merke es nicht. (ich dachte es sei Regen…)
Blase :-(
Ein schlechtes Gewissen und Schmerzen habe ich nur wegen Felix: 
Nach einem tollen Ritt am Mittwoch von Grünewald, über Pretzien, nach Barby, entdecke ich Abends eine Scheuerstelle vom Sattelgurt.
- Sie ist nicht blutig oder eitrig, aber das Fell ist weg und die Haut gereizt. 
Schweiß und Gepäck, welches nicht fest genug gegurtet war = Scheuern.

Die ersten Zweifel regen sich in mir, ob es richtig ist, was ich tue. 
Bin ich zu blauäugig? Ist es naiv einfach so loszureiten? Ohne vorher die Hufe beschlagen zu lassen, das Pferd zu trainieren, die Packtaschen auf Tagestouren auszuprobieren, die Route zu planen oder Übernachtungen zu organisieren?
Ist das so ein Ego-Pauline-Ich-beweise-es-mir-und-allen-anderen-Trip der am Ende zu Felix Kosten geht?

Ich horche in mich rein. Ich sehe Felix an. Wie er dasteht. 
Auf dem Apfelacker in Barby, in der Augustusgabe. Gelassen. Entspannt. 
Mein Zelt steht ebenfalls auf dem Acker. Der Tierpfleger der tierischen Bewohner dieses wunderschönen Örtchens bringt Heu und frisches Wasser. 
Die Hühner laufen frei herum und durch Felix Beine, der grade dabei ist, weg zu dösen. Nein. Ich habe nicht das Gefühl, dass Felix unglücklich ist. 

Schlafplatz 2: Augustusgabe Barby
Am Donnerstag Reite ich entlang der Saale bis nach Groß Rosenburg.
Felix ist mittlerweile Gierseilfähren erprobt! 
- Er kann jetzt mit an Board, Herr Ka Leu, falls Sie dies hier lesen sollten :)
Schon zweimal ist er auf diese Metallflöße gestiegen.
Einmal kostete uns die Fahrt 2€, einmal nichts, 
weil der Kapitän von Felix Gelassenheit so begeistert war. 
Und wir sind eine Erkenntnis reicher:
Gierseilfährenkapitäne sind die entspanntesten Menschen der Welt. 
Die beiden alten Männer hatten die Ausstrahlung von Mönchen, die ihr Leben lang meditiert haben.
Gierseilfähre in Barb // Horse on the water...reaction ferry. 
In Groß Rosenburg treffe ich eine Dame, die Felix einen Eimer Wasser, Karotten und  Äpfel schenkt. Dann spreche ich sie auf die Scheuerstelle an, die wieder gereizt aussieht. Sie kramt in ihrem Haushalt und kommt mit selbstklebender Mullbinde zurück. Wir verarzten Felix, was ziemlich skurril und wenig effektiv aussieht. Die Dame erzählt mir vom Hufschmied "Birr", falls ich eine Unterkunft bräuchte, solle ich den fragen. Etwas abwesend bedanke ich mich und ziehe weiter, denn ich habe mein Tagesziel noch lange nicht erreicht. 
Doch brauche ich erst eine Mittagspause. Ich setzt mich in die Felder.
Felix wird verarztet // First aid
 --Und plötzlich überkommt es mich. Die Müdigkeit und die Kälte der letzten Tage. Ich habe keine Kraft mehr. Ich denke immer, dass ich stark und belastbar bin und kann mir Schwäche nur sehr schwer eingestehen. Ich höre in mich hinein…nichts. Ich fühle nichts. Ich weiß nichts. Gehirn? Nichts. Herz? Nichts. 
irgendwann meldet sich mein Verantwortungsgefühl für Felix. 
Ich muss Schluss machen für heute. 
Er braucht eine Pause für die Scheuerstelle und ich Schlaf. 
Ich laufe zurück ins Dorf und stehe sofort vor dem Haus von Familie Birr, ohne es zu suchen. 

Birrs reißen sich beide Beine für uns aus. Zu ihren Pferden können wir leider nicht, weil es noch keine Koppel gibt…aber sie hatten einen Reitverein in Klein Rosenburg, der vom Hochwasser zerstört wurde. Da könnten sie mir eine Weide aufbauen und Wasser hinfahren. Frau Birr führt mich - obwohl ihre Tochter Geburtstag und sie noch nichts vorbereitet hat - durch den Wald zu ihrem Vereinsgrundstück. Als wir uns dort mit ihrem Mann treffen, haben die beiden eine neue Idee: Evelin.

Evelin und ihr Mann haben eine kleine Passion, einen Kanuverleih und Tiere. 
Im Baumgarten heißt ihr kleines idyllisches Odem in Klein Rosenburg in dem Felix und ich unterkommen. Die beiden Haflinger drehen völlig durch, als sie seine Hoheit sehen. Der interessiert sich nicht einmal für die beiden und will nur fressen. 
Fressen!
Attila
Minna 
Evelin, ihre Glucke mit Nachwuchs und Attila
Evelin ist Naturland Bäuerin und hat durch das Hochwasser viel Schaden erlitten.  Sie ist so herzlich und ihr Mann so hilfsbereit, dass ich gerührt bin. Ich danke euch beiden! 

Meinen braunen Stoffmantel habe ich in Barby gelassen. Zunächst eine Kurzschlussentscheidung, weil der Reißverschluss kaputt war…aber wenn etwas geht, ist Platz für Neues.
Evelin schenkt mir eine viel wärmere Filzjacke. 

Nach einer Nacht mit 5 (!) geliehenen Decken schlafe ich 11 Stunden durch und erwache mit Regengeräuschen auf dem Zelt. 

Trotzdem packe ich zusammen. Ich will weiter. Aber nur gehen. Und nicht weit. Aber weiter. 

Auf dem Weg nach Sachsendorf treffe ich noch einmal Familie Birr, die mir eine alte Raspel sowie Wund-, und Heilsalbe schenkt. Ich überreiche ihnen einen Smarties-Osterhasen vom NP. 

Felix und ich geraten in einen Hagelschauer. 
Der Sir will seinen königlichen Hintern immer in den Wind drehen, was kontraproduktiv ist, um voran zu kommen. Wir finden ein Carport und stellen uns unter. Dann geht es weiter, doch der Regen gibt nicht auf. 5 Km bis Sachsendorf, 10 bis Bobbe, wohin ich eigentlich will. 
Hagelschauer
Plötzlich hält ein Pick Up neben mir. Ralf. 
Ralf ruft mir, die ich im Regen stehe, zu, dass er in Sachsendorf wohne und eine Stute hätte, die sich über Gesellschaft freute. Er sei mal nach Nürnberg geritten und wisse, wie es ist, unterwegs zu sein. 
Mein Dickschädel erlaubt es mir zunächst nicht, das Angebot anzunehmen. Dennoch lasse ich mir generös seine Nummer geben. 

Kurz vor Sachsendorf beginnt es wieder zu hageln. 
Ich gebe auf, hole mein Handy aus der Tasche und suche nach Ralfs Nummer. 
In dem Moment sehe ich einen Mann mit Cowboyhut auf einem Fahrrad auf mich zufahren. Ja, ok. Ich komme mit.

Ralf hat einen Hof, Hühner, zwei Pferde, Katzen und wahrscheinlich noch so einiges, was ich nicht zu Gesicht bekommen habe. Erst als Pause gedacht, wird schnell klar: Heute geht´s nicht mehr weiter. 

Wir hängen das nasse Zelt in Ralfs Diele auf. 
Felix bekommt Blauspray für die Wunde, Kraftfutter und Eskapaden von Stuten-Diva Sina zu spüren. 
Zelt trocknen. Felix Bett.
Meine Klamotten hängen vor dem Ofen und den unzählbaren Heißlüftern. 
Der Regenmantel ist nicht überall dicht. 

Die Sonne kommt noch einmal kurz hervor. 
Ich gehe raus und sehe eine Weinbergschnecke. 
Und Tropfen auf den Grashalmen. 
Und diesen abgefahrenen Himmel, der sich nicht entscheiden kann, ob er blau, grau oder lila sein will. 
Ich sehe noch einmal die Schnecke an und beschließe, mich nicht darüber zu ärgern, dass ich so langsam bin. Es geht nicht darum, so schnell wie möglich irgendwohin zu kommen.
Es geht darum überhaupt losgegangen zu sein und die Sonne zu genießen.
Ich lächle der Schnecke zu und danke ihr. 
In diesem Moment ergreift eine tiefe Ruhe mein Gemüt. 
Weinbergschnecke. Wildblumensalat. // Snail, which told me to slow down; Edible wild herbs for dinner


Ich sammle Brennnesseln, Taubnesselblüten, Hirten Tätschle Kraut, Vogelmiere und Löwenzahnblüten und mache einen Salat.
(Jakob: Ich brauche neue essbare Pflanzen in meinem Repertoire…!!!)
Dafür bekomme ich Pizza und das Gästezimmer. Ein Bett. Der Hammer.
Und eine heiße Badewanne. Whohoo.
Ralf bekommt eine Thaimassage, ohne zu wissen, dass es eine Thaimassage war. (Jetzt weißt du´s :) )

Am nächsten Morgen schenkt er mir nicht nur das Blauspray sondern auch eine echte Wachsjacke.
(So eine habe ich mir schon richtig lange gewünscht!!!)
Felix bekommt eine "Winnie the Phoo" Decke, damit das Gepäck nicht scheuern kann. 
Danke Ralf. Du bist der Hammer - und ich bin wirklich nicht weggelaufen oder werde gefahndet. Ganz ehrlich. 

Der Hofstaat zieht ausgeruht und von oben bis unten versorgt gen Saale. 
Die Sonne scheint. Es gibt wunderschöne Wege entlang des glitzernden Flusses.
Der Sir in Bernburg
In Bernburg essen wir ein Eis. In Gröna finden wir ohne Probleme eine Ponyherde, inklusive Miniausgabe von seiner Hoheit, zu der wir uns gesellen dürfen. 
Ich zelte und genieße die menschliche Einsamkeit. 
Schlafpatz 5 // Sleeping place 5
Mini-Felix



Frohe Ostern.

Oh…P.S.(!): 
was mir grade noch einfällt…:
Nicht nur Mädchen gehen zu zweit auf Klo. 
Wenn ich mich hinhocke um zu pinkeln, stellt sich Felix daneben. 
Ein bisschen skurril. Aber witzig. 

P.S 2:
ich habe heute zum ersten Mal im (deutschen!) Jahre 2014 meine Brüste ausgepackt (alle wieder wach? ;) ). Also nicht so richtig. Aber ich habe das T-Shirt während der Mittagwärme ausgezogen und mich in der Sonne geaalt.
Endorphin Produktion über die Haut funktioniert einwandfrei. 






10 Kommentare:

  1. haha, ich hab grad gelesen, du hast deine BÜRSTE ausgepackt und war deswegen wieder wach. das ist ja jetzt wirklich ein utensil, was du wieder verwendest ;)
    mein kater geht auch immer mit aufs clo ;)
    hau rein paulchen!

    ludisia

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  2. Frohe Ostern Pauline , weiterhin viele positive Erfahrungen ;)

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  3. Es war toll dich kennengelernt zu haben! Wir sind fasziniert!Steffi,Cliff und Jule

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  4. Wie toll, du hast meine liebe ehemalige Arbeitskollegin getroffen. Sie hat sich immer soooo lieb um meine Tochter gekümmert, die vor 4 Jahren unser Bürobaby war. Wenn du auf dem Rückritt wieder bei Familie Birr vorbeikommen solltest: GLG an die Susi (Frau Birr) und sie soll dir unbedingt das Lied von Pups und Spinneken singen :-)
    Liebe Grüße Anja

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  5. Das Profil ist gut und die Gedanken sind ehrlich dargestellt - eben jugendlicher Freigeist - eigentlich zu beneiden.

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  6. Habe mir für ein paar Tage einen eigenartigen Zeitvertreib zugelegt. Ich lese die Einträge in diesem Block wie ein Buch - nur jedesmal anders.

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  7. Was Sir Felix völlig egal ist!

    Sir Felix - Ein Schimmel?
    Offensichtlich für eine Fotografin: „Nahe dem Himmel!“
    War gespannt auf jedes zu sehende Bild
    Unerwartet erschienen mir einige durchaus weniger als erwartet wild
    Suchte im Abgebildeten das Unverwechselbare
    Sah allerdings das im Augenblicke Wahre
    Dass, was ICH mit der Person verband
    Was mich für einen Moment machte an ihr gebannt,
    Erschloss sich mir – natürlich – nicht wieder.
    Es fehlten mir in den Fotos die Hymnen, die Lieder.

    Das Profil erscheint modern, in manchem verspielt
    Natürlich habe ich auch auf das Drumherum dabei geschielt.
    Vielleicht muss es ja das leichte Leben des Jetzt auch widergeben
    Und vielleicht ist es der Gestalterin Streben
    Ziele und Wünsche ihres sicher jungen Alters
    Entgegenzustellen den überholten Ängsten eines Verwalters.
    Der mahnt: Heutige Jugendlichkeit ist in Zukunft auch vergänglich.
    Doch hier streiten sich schon immerzu Generationen hinlänglich.

    Manch Bild ward schon tausendmal irgendwie anderswo gesehen
    Doch kann natürlich nicht entgehen
    Das manches Festgehaltene wirkt bewusst verzerrt.
    Was soll der Betrachter dadurch erkennen?
    Frage mich, ob meinem täglichen Blick bisher etwas verwehrt.
    Möchte die Künstlerin etwas benennen?
    An sich? Vielleicht sogar am Betrachter?
    Dann muss ich formulieren jedes Wort nun noch bedachter.
    Nur geringfügig kann ich die Aussagen erahnen.
    Auch ich verliere mich zuweilen eher in Rundungen,
    Denn deren Hervorheben durch geschicktes Bekleiden oft leicht gelungen
    Sollen die betreffenden Ablichtungen vielleicht ermahnen?
    Mehr wahrzunehmen als Begierde des natürlichen niedrigen Instinkt
    Ob das unter Millionen anderer Websites auch gelingt?

    Der Verfasser dieser Reime kann und darf Gesehenes nicht bewerten.
    Dieses Urteil überlässt er aus Einsicht jenen noch nicht Belehrten.
    Die als Eckensteher oder Gelehrte vom Fach.
    Zu oft entschieden, über Schloss oder notdürftiges Obdach.

    Sir Felix ist es sicher völlig egal,
    Ob es Fotos gibt, ob groß, ob schmal
    Ob politische Veranstaltungen ausgerichtet werden.
    Ob jemand über Späße lacht oder leidet an Beschwerden.
    Hauptsache für ihn wahrscheinlich,
    Und sein Egoismus ist ihm auch nicht peinlich,
    Nicht eingesperrt zu sein in einem Stall
    Und Zweisamkeit genießen in jedem Fall
    Auch wird er bei gereichter Rübe und Zucker wohl kaum darüber klagen
    Dass er nicht darf für ein Casting die Last auf seinem Rücken muss ertragen.
    Gleichgültig ihm, in welche Richtung die Reiterin ihn führt
    Hauptsache sanftes Streicheln und liebes Wort er dafür verspürt.

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  8. PS: Der Kommentar entstand auch unter dem Eindruck, dass der Betrachter auch andere Websites von P.W. bsucht hat.
    Schade, dass es seit einer Woche keine neuen Einträge von Sir Felix' Abenteuern gibt.

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    1. Danke, für diese ausführliche Bereicherung meines Blogs.

      Jetzt erst, zwei Wochen später lese ich diese Kommentare..
      .und frage mich natürlich:
      Wer sind Sie?
      Und wenn ja, wie viele? :)
      Es gibt bald neue Einträge von Sir Felix.
      Ganz bald.

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