Donnerstag, 29. Mai 2014

...nicht nur eitel Sonnenschein.

...Kawum.
Ich segle durch die Luft.
Ich sehe Felix von oben.
Sehe das Rittergut, sehe die Wiese, die immer näher kommt.
Ich halte die Ukulele in der Hand.
Reflexe ein. Verstand aus.
Mein Kopf nährt sich dem Boden...und irgendwie rolle ich mich ab.
Nicht sanft. Es gibt einen harten Schlag auf den Kopf.

An mehr erinnere ich mich nicht wirklich.
Mein Knöchel tut weh - ich weiß nicht warum.
Benommen sitze ich im Gras.
Der Ukulelenhals ist gebrochen.
Felix tänzelt aufgeregt um mich herum.
Dann dreht er sich um und kommt rückwärts auf mich zu.
Er will den Hintern gekrault bekommen.
- genau wie vor meinem Flug.

Ich saß auf dem Weidengatter und spielte Ukulele.
Sir Felix kam und parkte sich rückwärts vor mir ein.
"Einmal Hintern kraueln bitte!"
Normalerweise komme ich dieser Forderungen sehr gerne nach.
Aber in dem Moment wollte ich nicht.
Immer intensiver schmiegte er sein Hinterteil an meinen Knien
- bis er sie zwischen sich und dem Weidengatter einklemmte.
Ich weiß ja nicht, wer schon mal einen Elefanten auf einem Ei hat sitzen sehen,
aber so fühlten sich meine Knie an.
Ich kam nicht weg und das Weidengatter bog sich beängstigend nach außen.
Es gab nur zwei Fluchtwege:

1. Weidengatter aushebeln lassen und nach hinten fallen,
2. Auf Felix Rücken springen.

Ich hatte die Wahl zwischen übel und gefährlich.

Ich entschied mich für gefährlich.
Mit der Ukulele in der Hand tastete ich mich an Felix Rücken entlang Richtung Mähne,
die ich noch nicht ganz erreichte.
Er stand relativ ruhig. Ich atmete ein.
Beherzt sprang ich auf seinen Rücken
- landete aber nur auf seinem Hintern.

Er erschrak und galoppierte los.
Einen kurzen Moment lächelte ich,
denn ich dachte, ich könne im Bocksprung wie ein echtes Cowgirl die Mähne erreichen
und mich in die Sattellage ziehen. Danach würde ich lässig mit der Ukulele in der Hand auf ihm sitzen, als wäre nie etwas passiert.
- Dem war nicht so.

Einen Galoppsprung später rammte Felix seine Vorderhufen in den Boden
und katapultierte sein königliches Hinterteil in die Luft.
"Katapultierte" ist tatsächlich das richtige Wort.
Mein Flug war ziemlich hoch und ziemlich lang.
Nur der Service ließ zu wünschen übrig.

Ich kann Felix keinen Vorwurf machen.
Wahrscheinlich habe ich mich im Sprung in seinen Flanken festgehalten.
Er muss gedacht haben, ich sei eine Raubkatze.
Ich war zu hektisch und das tut mir leid.
Er ist immer noch ein Fluchttier mit Ur-Instinkten und kein Plüschtier...
...und ich bin immer noch eine Pantherkatze,
die ihm gerne den Popo krault.
________

Ukulele kaputt.
Halsmuskulatur tut weh.
Es regnet noch immer und wir werden von einem Pulk
Vatertags-Teilnehmer mit Bier bespritzt.
Mein Handy hat die Grätsche gemacht.
...an Tagen wie diesen bin ich heilfroh,
dass es Menschen wie Frieda und Lilli gibt.

Frieda malt uns ein Bild, das mich aufheitert.
Lilli ist die Tochter des Hauses und kümmert sich
während der zwei Tage auf dem Rittergut rührend um uns.
Von einer 12-jährigen bemuttert zu werden,
ist schon ein wenig irritierend,
aber wunderschön.
Frieda und Felix :)
Lilli :)
Danke euch beiden!
Und danke an das Rittergut und Familie Schwarzer
für die Einladung, länger zu bleiben. 

On the hoofs again


Umarmungen. Lachen. Tränen.
Als Sir Felix fertig gepackt ist, beginnt der Abschied von Familie Oese. 
Über zwei Wochen waren wir bei ihnen,
Felix als Teil der Herde, ich als Teil der Familie.


"Wenn ich 18 bin, können wir das, was du jetzt machst, noch mal machen? 
Um die ganze Welt reiten?" 
Tiffany sitzt auf ihrem Pferd. 
Wir reiten aus. Im Schritt, Trab und sogar Galopp. 
Ich schlucke. Und lächle. 

Das sind die Momente, in denen ich spüre,
was für eine Kraft diese Reise besitzt.
Noch vor zwei Wochen wollte Tiffany nicht reiten,
jetzt will sie die ganze Welt umrunden.
Ich hoffe, dass dieser Funken, den wir an manchen Stellen zünden,
nicht erlischt, wenn wir weitergezogen sind.

Sie. 
Ich werde gesiezt. 
Egal von wem. Egal wie alt. 
"So alt sehe ich doch noch gar nicht aus…?!", 
denke ich jedes Mal 
und bin beinahe empört.
Doch langsam beginne ich zu verstehen, warum ich gesiezt werde:

Aus Respekt. Aus Hochachtung. Aus der Fremdartigkeit heraus.
Nicht etwa wegen meines Alters.

Als Kind wollte ich immer Lehrerin werden. 
Für Mathe, Sport und Germanistik.
Erst in der 12. Klasse wurde mir klar, 
dass ich nicht von der Schule in die Schule gehen will,
um danach wieder in der Schule zu stehen. 
Zweimal in der Schülermenge sitzend, einmal vor der Klasse stehend, 
ohne etwas von dem Leben da draußen gesehen zu haben. 

Auf dieser Reise merke ich: 
Wir können alle voneinander lernen - und das ist ganz natürlich. 
Wenn wir uns Babys ansehen, 
dann sind wir davon fasziniert, wie schnell sie lernen. 
Die ersten Schritte werden hochjubelnd gefeiert,
die ersten Worte für immer gemerkt. 

Erst, wenn wir sie in ein vorgefertigtes Schulsystem stecken, 
in dem wir bestimmen, was sie zu lernen haben, beginnt der Unmut. 
Denn plötzlich gibt es Erwartungen, Ansprüche, Regeln und Hoffnungen.
Erfüllen unsere Kinder die Erwartungen oder Normen nicht, 
sind wir enttäuscht. Die Kinder werden bockig und beginnen die Schule zu hassen.
In den schlimmsten Fällen stirbt ihr Wissensdurst. 

Natürlich gilt das nicht für alle. 

Ich war nicht so. 
Ich war eine Musterschülerin, ein Lehrerliebling. 
Keine Streberin - viel lernen, musste ich zum Glück nie. 
Ab der 7. Klasse begann ich jedoch den praktischen Bezug zu vermissen. 
Meine Hände wollten etwas tun. 
Ich sah den Sinn, in dem, was wir lernten, nicht. 
Es entstand nichts. Es war alles abstrakt. 

Früher, als es noch generationsübergreifende Familien gab,
lernten die Kinder im praktischen Alltag 
von ihren Eltern, Großeltern und Geschwistern.
Teils nach Interesse, teils aus Zwang. 
Heutzutage sitzen die meisten von ihnen nach der Schule vor dem Fernseher oder dem PC.
Sie stumpfen ab und können sich für nichts irdisches mehr begeistern.
Es gibt niemanden, der sie an die Hand nimmt. 
Ihnen den Wald, die essbaren Pflanzen oder Biberspuren zeigt. 
Ich werde traurig, wenn ich durch Städte reite und mich Kinder ernsthaft fragen,
ob das ein echtes Pferd sei.

Allein im letzten Monat habe ich gelernt, dass...
...Scheuklappen nicht etwa gegen das Scheuen vor den Autos sind,
sondern vor der Peitsche, falls ein anderes Pferd angetrieben werden soll.
...Bienenkönigin zu sein, nicht so lukrativ ist, wie ich dachte.
Es ist ein hart umkämpfter Job, der den Beischlaf vieler Männchen beinhaltet,
aber auch lebenslange Sklaverei,
denn eigentlich ist die Königin nur eine Sklavin der Arbeiterinnen.
...es ein Bibermanagement gibt.
...und noch vieles mehr.

Dies sei ein Appell, wieder mit offenen Augen und Ohren durch das Leben zu gehen.
Sich Zeit für Kinder zu nehmen, die Fragen haben und nicht mit dem Satz
"Google es doch.", zu kontern.

Sir Felix trottet fleißig und zufrieden durch den Wald. 
Die "Süppiche" heißt das Tal. 
Angeblich hat das Wort mit Adlerhorsten zu tun.
Für mich stammt es von Suppe. 
Alles ist feucht. Der Wegesrand ist matschig - und von Sumpfdotterblumen bewuchert.
Schön und feucht. 
"Es gibt kaum Bilder von uns beiden, mit mir im Sattel.", schießt es mir durch den Kopf, 
als wir auf eine Lichtung kommen.  
Es gibt einen Steinaltar, der als Stativ dient.


Wir rasten ein Weilchen und ich genieße die Ruhe. 
Der Sattelkauf war goldrichtig. Unser Packsystem beginnt sich zu bewähren. 
Letzte Woche war ich in Magdeburg und habe meinen Rucksack mitgebracht. 
Dort passen meine Ukulele, die Isomatte und das Kameraequipment rein. 
Keine Einzelteile mehr. Auf das Zelt verzichte ich jetzt. 
Meistens schlafe ich bei Pferdemenschen und die haben Stroh.

Ich denke über die letzten Tage nach und die interessanten Menschen, die ich getroffen habe.

Lars in Magdeburg. 
Es war wunderschön mit Dir. Unser Non-Verbales Acroyoga hat mich berührt.


Ich denke an den Künstler Jochen Bach, der mit seiner Frau in der Plinzmühle wohnt. 
Jochen und ich trinken Tee und essen Kuchen.
"Ich bin mal in vier Tagen von Weimar nach Quedlinburg geritten.
Und zurück in Zweien. Aber das hat mir das Pferd übel genommen."
Er passt auf seine Hoheit auf, damit ich mir in Ruhe die Galerie 
- sein Wohnhaus - ansehen kann. 
Seine Skulpturen im Garten und seine vielfältigen malerischen Arbeiten sind definitiv einen Besuch wert!

Plinzmühle
Garten der Stille und zwei Werke von Jochen Bach

In Altenberga treffe ich Achim Häßler und seinen Wiesenhof. 
Ein wunderschön gelegener Hof, mit Pferden, Kühen, Katzen, Meerschweinchen und Hunden. 
Wir dürfen bei ihm nächtigen und werden zum Frühstück eingeladen. 
Mein Strohlager:


…und dann gibt es noch den Hädrich. 
Aber diese Begegnung ist einen eigenen Blogeintrag wert. 
Hier ein Video unseres ersten Treffens, als Vorgeschmack:


Während ich diesen Eintrag hier schreibe, sitze ich auf dem Strohboden des Ritterguts Positz. 
Es regnet. Sir Felix und ich machen einen notgedrungenen Pausetag. Der Regen am gestrigen Tage hat mir vorerst gereicht, bis ich ein richtiges Regencape besitze. 


Seine Hoheit steht neben einer Herde Schafen. 
Er bekommt viel Kinderbesuch - und Mohrrüben. 

Er sieht trainiert und kräftig aus. Wach und Wunderschön.  
…und dieser Blogeintrag endet nun, 
bevor ich mich in kitschigen Liebeserklärungen an mein Pferd verliere. 

P.S.: 
Vielen Dank für die vielen Kommentare zu den Blogeinträgen!
Die habe ich erst gestern Abend gefunden. 

Blick in ´s Jenatal


Sonntag, 11. Mai 2014

Ziellos

"Der Weg ist das Ziel." - ein abgedroschener Satz. 
Und doch ist er wahr. 
Jedenfalls teilweise. 
Wie es allgemeine Wahrheiten eben so an sich haben.
_____

Letztes Wochenende war die Taufe meines Neffens in Salzburg. 
(Wir erinnern uns: Der Grund für mich, nach Süden los zu reiten.)
Da Sir Felix und ich noch meilenweit (!) von Salzburg entfernt sind, 
habe ich mich auf die zielstrebigen eisernen Schienen gewagt und bin mit dem Zug gefahren. 

In Salzburg angekommen, lerne ich die Oma meines bald-Schwagers kennen. 
Ich wohne bei ihr im Dachboden. 
Wir verstehen uns blendend und diskutieren mein Taufoutfit:
Dirndl vs Lederbüxx
(Es wurde das Dirndl.)

Dirndl vs Lederbüxx
Am nächsten Morgen ist die Taufe.
Meine erste Taufe. 
Ich bin nicht kirchlich, mag aber Kirchen.
Ich glaube und hoffe, vertraue und liebe. 
Aber eine personifizierte Geschichte und Regeln dafür brauche ich nicht. 

Das Ritual der Taufe rührt mich dennoch an. 
Wir halten inne und rücken zusammen.
Der Pfarrer ist ein wahrer Segen für den kleinen Maximilian und alle Beteiligten. 
Er ist kein überkandidelter Kirchenmann. 
Er ist menschlich und witzig. 

Maxis Taufe
Maxi überlebt das Taufbad und die Salbung ohne mit der Schnute zu zucken. 
Seine großen Kulleraugen folgen dem Wasser, 
das von seinem Kopf zurück in die Schüssel perlt.
Wie es sich für einen halben Hamburger gebührt, scheint er eine wahre Wasserratte zu sein. 

Mit meiner neuen Bonus-Oma am Arm verlasse ich die Taufe 
mit einem sehr warmen Gefühl im Bauch. 
Es ist wunderschön zu sehen, 
wie meine Schwester nicht mehr "nur" Schwester ist.
Sie ist nun von ganzem Herzen Mutter. Und glücklich. 

Maxis Groß-Tante (?) Doris schenkt mir eine ihre Mützen, 
meine neue Bonus-Oma ein Flanellhemd ihres verstorbenen Mannes. 
Bonus-Oma
Mit diesen Gaben gesegnet fahre ich zurück zu Sir Felix, 
der derweilen bei Uschi in Lützeroda auf mich gewartet hat. 

Uschi hat mich vom Feld aufgelesen. 
"Wo geht´s hin, was machst du, wo schläfst du heute?", fragte sie mich aus ihrem Auto heraus, 
als ich abends am Feldrand Richtung Cospeda entlang schlenderte.
"Weiß ich noch nicht.", war meine Antwort.

"Dann kommst Du zu uns. Lützeroda. Olthoff. Die Leute wissen bescheid."

Imperative. 
Uschi ist eine Frau der Imperative. 
Energisch und herzlich. 
Sie und ihr Mann sind sehr engagiert im Pferdereitsport. 
Beide waren Turnierreiter und der Name "Olthoff" ist (wie ich später feststelle)
tatsächlich flächendeckend bekannt.
Ihre Enkelin Lisa führt die Tradition fort und ist erfolgreich im Dressursport.

Ich bekomme die Blockhütte auf ihrem Grundstück und 
Sir Felix einen separaten Auslauf mit Weidegang. 
Uschi bekommt mit ihren 76 Jahren 2 Dreadlocks.
Uschi (76) mit ihren zwei neuen Dreadlocks
Ben und Uschis Tulpen
Ich bekomme von Uwe ein bisschen Drill eingehaucht:

Um 8 Uhr Frühstück. 
Um 12 Uhr Mittag. 
Um 16 Uhr Kaffee. 
Um 18 Uhr Abendbrot. 

Ai Ai Sir. 
Ich danke euch beiden für eure Gastfreundschaft und Herzlichkeit! 
Vielleicht reite ich ja doch noch nach Freiburg und werde Teil der Familie ;)

Uschis Sohn Uwe-Jan (UJO) ist Sattler. Er baut Westernsättel.
Und nachdem mir der Abdruck  des Barefoot Sattels auf Sir Felix Rücken
nicht mehr gefallen hat, kaufe ich Ujo spontan einen Sattel ab,
der perfekt passt.

Neuer Sattel - UJO
Ich gehe schlafen und will am Tag darauf weiter reiten.
Am  Morgen merke ich jedoch, dass sich etwas verändert hat. 

Ich habe kein Ziel mehr. 

Eine starke Ruhe ergreift von mir Besitz. 
Es ist die Ruhe vor dem Sturm. 

Dieser bricht kurz darauf los:

Wohin reite ich denn jetzt? 
Was mache ich hier eigentlich? 
Warum mache ich das? 
Wo, wie was warum....und überhaupt...?

Wir wachsen in einer Gesellschaft auf, in der wir darauf trainiert werden, uns Ziele zu setzen. 
Wenn wir sie erreicht haben, müssen wir uns neue stecken. 
Sich ein Ziel setzten. Es erreichen. 
In den meisten Köpfen ist Ziellosigkeit negativ konotiert.

Für mich ist es ein Luxus und eine Herausforderung. 
Ich kann - und muss - mich auf dasjenige, was mir begegnet, einlassen.
Ich habe die Wahl. Und ich wähle. Jeden Tag. 
Jede Stunde. Alle paar Minuten. 
"Links oder rechts?" 
"Pause oder weitergehen?" 
"Laufen oder reiten?" 

Für die meisten Leser dieses Blogs wäre es wahrscheinlich spannender,
genau zu wissen, wann ich wo sein will, um mitfiebern zu können:

,,Schafft sie es? Oder schafft sie es nicht?"

Ich könnte eine irre Spannungskurve aufbauen. 
Katastrophen erfinden.
Schicksalsschläge bemühen und eine Fotolovestorie einbauen, 
um Klicks zu generieren und Google Werbung zu schalten. 
Damit würde ich vielleicht sogar Geld verdienen. 
Aber das kann und will ich nicht. 
(Tex, falls Du dies hier liest…es tut mir leid! ;) )

Um mein aufbrausendes Gehirn zu beruhigen serviere ich ihm einen Lösungsvorschlag:

"Wir haben vielleicht kein Ziel mehr, aber wir haben eine Richtung:
Salzburg. Unsere Bonus-Oma freut sich bereits auf ein Wiedersehen."

Ich sattle Felix mit unserem neuen Sattel und wir setzten uns in Bewegung. 
Saaletal

Erneut müssen wir feststellen, dass wir Flachlandindianer sind.
Und hier gibt es Hügel. 
Am Nachmittag sind wir beide erschöpft.

Wir kommen nach Münchenroda. 
Wir treffen Raimund. Wir treffen Jaqueline. 
Wir treffen Tiff, Viktor, Arthur, Luise, 
Whitney, Carmen, Larissa und Hans. 
Wir dürfen bleiben.

Die Kinderarche nimmt uns herzlich auf.

Felix bekommt drei Stuten, die sich sehr über ihren neuen Macker freuen.
Alle freuen sich. Außer Ziegenbock Hansi.
Der ist über den männlichen Herdenzuwachs verärgert
und kaut seinen Frust an dem Schweifhaar seiner Hoheit ab. 
Ich bekomme das "Gästezimmer" - eine im Dachgiebel ausgebaute
Einliegerwohnung mit Ofen und Küche. 
Die Kinderarche sucht eine Reitlehrerin.  Bis August. 
Komfort verlockt. 

Hansi der Ziegenbock vergreift sich an dem Schweif seiner Hoheit
Whitneys Schnurrbart
Doch am nächsten Tag reite ich mit Felix aus und merke auf der halben Strecke, 
dass ich keinen Kreis reiten will, sondern weiter.
Da weiß ich, dass ich nicht bleiben werde.
Nicht bis August. 
Aber für 2 Wochen. 

Der Grund: 
Tiffany hat Angst.
1. Vor ihrer Stute und
2. vor dem Reiten.

Sie ist vor ein paar Jahren runtergefallen. 
Und nicht wieder aufgestiegen.
Seine Hoheit und ich beschließen zu vermitteln.

Sir Felix kramt seine pädagogischen Kenntnisse und den toten Indianer heraus
...und schwupp die wupp liegt eine lachende Tiffany (und Luise) auf seinem Rücken. 
Am nächsten Tag sitzt sie auf ihrer Stute und heute, 4 Tage später reitet Tiffany Carmen,
ohne dass ich sie an der Longe habe. 

Luise, Tiffany (zwei tote Indianer) und Sir Felix
Tiffany und Carmen
Das Lachen und Leuchten in ihren Augen beruhigen mein zuvor so aufgewühltes Gehirn.
"Die Begegnungen am Wegesrand, sind unsere unendliche Zielkurve, bis das Ziel von ganz alleine auftaucht."
- Dieser Satz ist schon mehr wahr, so man "wahr" denn steigern kann.
Charlie

Freitag, 2. Mai 2014

Mutterliebe.

-Alle hartgesottenen Ratio-Menschen sollten an dieser Stelle aufhören 
diesen Blogeintrag zu lesen -

"Liebe. Es geht immer nur um Liebe. 
Und Mutterliebe ist die stärkste aller Lieben." , 
die Frau mir gegenüber spricht bestimmt und unaufgeregt:
"Dann ist man sich selbst ganz egal. Hauptsache den Kindern geht es gut."

Sie sieht sich in ihrem Garten um. 
"Ich will 111 Jahre alt werden. 
Deshalb esse ich diese schwarzen Aroniabeeren hier. Die sind gegen Krebs."
Sie dreht sich zu mir um und sieht mich mit ihren hellwachen blauen Augen an:
"Alles ist Energie. Was wir geben, kommt an irgendeiner Stelle zurück. 
Aber nicht unbedingt dort, wo wir geben." 

Wir lächeln uns an. 
Sie nimmt mich in den Arm.
Ich beginne zu weinen. 
Es ist eine dieser Umarmungen, die nichts fordert. 
Sie ist einfach da. 
Zum richtigen Zeitpunkt. Am richtigen Ort. 
Es ist eine Umarmung einer dreifachen Mutter und achtfachen Großmutter. 
Es ist eine Umarmung meiner eigenen Mutter. 
Es ist eine Umarmung aller Mütter dieser Welt. 

Liebe. 
Mutterliebe. 

Eigentlich ist es eine Tragikkomödie. 
Ab dem Zeitpunkt der Geburt verlassen wir unsere Mütter. 
Zuerst krabbeln wir fort. Später suchen wir die Grenzen in unserer Erziehung. 
Wir suchen immer mehr Abstand. Ziehen weg.
Wir wissen alles besser und wollen alles anders machen.
Wir sehen, was unsere Eltern geschafft haben - und noch viel deutlicher, was nicht.
Wir sind genervt, wenn sie zu oft anrufen und uns auch mit 24 noch sagen,
wir sollten eine Jacke anziehen, ihnen würde kalt , wenn sie uns nur ansähen.

- Aber wenn wir ehrlich sind, wären wir nicht allesamt enttäuscht, sie würden sich keine Sorgen um uns machen? 

Ich wäre es. Ich wäre pikiert. 
Viele Menschen auf dieser Reise fragen mich, ob ich fortlaufen würde. 
Ob ich familiäre Probleme hätte und meine Eltern noch lebten. 
In diesen Momenten lächle ich in mich hinein. 
Dann erkläre ich den Menschen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. 
Ich habe so starke Wurzeln,
dass ich mich traue auf den frisch gewachsenen Trieben zu balancieren 
und auf den Samen durch den Wind zu segeln. 
Meine Wurzeln bräuchten allerdings keinen festen Standort. 
Sie seien eher mit den Luftwurzeln einer Orchidee vergleichbar. 

Ich habe viel Liebe erfahren. 
Und wenn ich, so wie eben grade,
zwei Stunden mit meiner Mutter telefoniert habe, fühle ich mich wieder 5cm größer. 
- Denn sie ist mein größter Fan.
Gleichzeitig inspiriere ich sie. 
Denn ich lebe einen Teil von ihr, den sie sich grade nicht zu leben traut.

"Losgehen. Einfach losgehen will ich. 
Gegen den Krieg in der Ukraine.",
sagt sie und führt im nächsten Satz an, 
warum das nicht geht:
"Ich weiß nicht, wie so was geht. Das publik zu machen." 

Ich spüre die Energie. Ich spüre die Angst. 
Ich stelle sie mir vor, wie sie mit einem Schild, auf dem 
"Ich gehe zur Krim. Gegen Krieg. Für Frieden. Kommst du mit?" 
steht, die Einfahrt verlässt. Ich lächle. 

Der Song "Alices Restaurant" kommt mir in den Sinn. 
"Nimm einen und sie denken er sei ein Spinner.
Nimm zwei und sie denken, die spinnen beide. 
Nimm zehn und sie denken es sei eine Bewegung."

Geliebte Mutter: 
Ich wäre stolz auf dich, du wärest die Erste dieser Bewegung. 
Bis du die Einfahrt verlässt und auf sämtlichen Titelbildern erscheinst, 
reite ich unter dem Flügel deiner Mutterliebe weiter. 
Für mich. Für die Menschen, die mir begegnen.
Für den Teil in Dir, der sich noch nicht traut. 

Sternenhimmel bei Hirschroda