Donnerstag, 29. Mai 2014

On the hoofs again


Umarmungen. Lachen. Tränen.
Als Sir Felix fertig gepackt ist, beginnt der Abschied von Familie Oese. 
Über zwei Wochen waren wir bei ihnen,
Felix als Teil der Herde, ich als Teil der Familie.


"Wenn ich 18 bin, können wir das, was du jetzt machst, noch mal machen? 
Um die ganze Welt reiten?" 
Tiffany sitzt auf ihrem Pferd. 
Wir reiten aus. Im Schritt, Trab und sogar Galopp. 
Ich schlucke. Und lächle. 

Das sind die Momente, in denen ich spüre,
was für eine Kraft diese Reise besitzt.
Noch vor zwei Wochen wollte Tiffany nicht reiten,
jetzt will sie die ganze Welt umrunden.
Ich hoffe, dass dieser Funken, den wir an manchen Stellen zünden,
nicht erlischt, wenn wir weitergezogen sind.

Sie. 
Ich werde gesiezt. 
Egal von wem. Egal wie alt. 
"So alt sehe ich doch noch gar nicht aus…?!", 
denke ich jedes Mal 
und bin beinahe empört.
Doch langsam beginne ich zu verstehen, warum ich gesiezt werde:

Aus Respekt. Aus Hochachtung. Aus der Fremdartigkeit heraus.
Nicht etwa wegen meines Alters.

Als Kind wollte ich immer Lehrerin werden. 
Für Mathe, Sport und Germanistik.
Erst in der 12. Klasse wurde mir klar, 
dass ich nicht von der Schule in die Schule gehen will,
um danach wieder in der Schule zu stehen. 
Zweimal in der Schülermenge sitzend, einmal vor der Klasse stehend, 
ohne etwas von dem Leben da draußen gesehen zu haben. 

Auf dieser Reise merke ich: 
Wir können alle voneinander lernen - und das ist ganz natürlich. 
Wenn wir uns Babys ansehen, 
dann sind wir davon fasziniert, wie schnell sie lernen. 
Die ersten Schritte werden hochjubelnd gefeiert,
die ersten Worte für immer gemerkt. 

Erst, wenn wir sie in ein vorgefertigtes Schulsystem stecken, 
in dem wir bestimmen, was sie zu lernen haben, beginnt der Unmut. 
Denn plötzlich gibt es Erwartungen, Ansprüche, Regeln und Hoffnungen.
Erfüllen unsere Kinder die Erwartungen oder Normen nicht, 
sind wir enttäuscht. Die Kinder werden bockig und beginnen die Schule zu hassen.
In den schlimmsten Fällen stirbt ihr Wissensdurst. 

Natürlich gilt das nicht für alle. 

Ich war nicht so. 
Ich war eine Musterschülerin, ein Lehrerliebling. 
Keine Streberin - viel lernen, musste ich zum Glück nie. 
Ab der 7. Klasse begann ich jedoch den praktischen Bezug zu vermissen. 
Meine Hände wollten etwas tun. 
Ich sah den Sinn, in dem, was wir lernten, nicht. 
Es entstand nichts. Es war alles abstrakt. 

Früher, als es noch generationsübergreifende Familien gab,
lernten die Kinder im praktischen Alltag 
von ihren Eltern, Großeltern und Geschwistern.
Teils nach Interesse, teils aus Zwang. 
Heutzutage sitzen die meisten von ihnen nach der Schule vor dem Fernseher oder dem PC.
Sie stumpfen ab und können sich für nichts irdisches mehr begeistern.
Es gibt niemanden, der sie an die Hand nimmt. 
Ihnen den Wald, die essbaren Pflanzen oder Biberspuren zeigt. 
Ich werde traurig, wenn ich durch Städte reite und mich Kinder ernsthaft fragen,
ob das ein echtes Pferd sei.

Allein im letzten Monat habe ich gelernt, dass...
...Scheuklappen nicht etwa gegen das Scheuen vor den Autos sind,
sondern vor der Peitsche, falls ein anderes Pferd angetrieben werden soll.
...Bienenkönigin zu sein, nicht so lukrativ ist, wie ich dachte.
Es ist ein hart umkämpfter Job, der den Beischlaf vieler Männchen beinhaltet,
aber auch lebenslange Sklaverei,
denn eigentlich ist die Königin nur eine Sklavin der Arbeiterinnen.
...es ein Bibermanagement gibt.
...und noch vieles mehr.

Dies sei ein Appell, wieder mit offenen Augen und Ohren durch das Leben zu gehen.
Sich Zeit für Kinder zu nehmen, die Fragen haben und nicht mit dem Satz
"Google es doch.", zu kontern.

Sir Felix trottet fleißig und zufrieden durch den Wald. 
Die "Süppiche" heißt das Tal. 
Angeblich hat das Wort mit Adlerhorsten zu tun.
Für mich stammt es von Suppe. 
Alles ist feucht. Der Wegesrand ist matschig - und von Sumpfdotterblumen bewuchert.
Schön und feucht. 
"Es gibt kaum Bilder von uns beiden, mit mir im Sattel.", schießt es mir durch den Kopf, 
als wir auf eine Lichtung kommen.  
Es gibt einen Steinaltar, der als Stativ dient.


Wir rasten ein Weilchen und ich genieße die Ruhe. 
Der Sattelkauf war goldrichtig. Unser Packsystem beginnt sich zu bewähren. 
Letzte Woche war ich in Magdeburg und habe meinen Rucksack mitgebracht. 
Dort passen meine Ukulele, die Isomatte und das Kameraequipment rein. 
Keine Einzelteile mehr. Auf das Zelt verzichte ich jetzt. 
Meistens schlafe ich bei Pferdemenschen und die haben Stroh.

Ich denke über die letzten Tage nach und die interessanten Menschen, die ich getroffen habe.

Lars in Magdeburg. 
Es war wunderschön mit Dir. Unser Non-Verbales Acroyoga hat mich berührt.


Ich denke an den Künstler Jochen Bach, der mit seiner Frau in der Plinzmühle wohnt. 
Jochen und ich trinken Tee und essen Kuchen.
"Ich bin mal in vier Tagen von Weimar nach Quedlinburg geritten.
Und zurück in Zweien. Aber das hat mir das Pferd übel genommen."
Er passt auf seine Hoheit auf, damit ich mir in Ruhe die Galerie 
- sein Wohnhaus - ansehen kann. 
Seine Skulpturen im Garten und seine vielfältigen malerischen Arbeiten sind definitiv einen Besuch wert!

Plinzmühle
Garten der Stille und zwei Werke von Jochen Bach

In Altenberga treffe ich Achim Häßler und seinen Wiesenhof. 
Ein wunderschön gelegener Hof, mit Pferden, Kühen, Katzen, Meerschweinchen und Hunden. 
Wir dürfen bei ihm nächtigen und werden zum Frühstück eingeladen. 
Mein Strohlager:


…und dann gibt es noch den Hädrich. 
Aber diese Begegnung ist einen eigenen Blogeintrag wert. 
Hier ein Video unseres ersten Treffens, als Vorgeschmack:


Während ich diesen Eintrag hier schreibe, sitze ich auf dem Strohboden des Ritterguts Positz. 
Es regnet. Sir Felix und ich machen einen notgedrungenen Pausetag. Der Regen am gestrigen Tage hat mir vorerst gereicht, bis ich ein richtiges Regencape besitze. 


Seine Hoheit steht neben einer Herde Schafen. 
Er bekommt viel Kinderbesuch - und Mohrrüben. 

Er sieht trainiert und kräftig aus. Wach und Wunderschön.  
…und dieser Blogeintrag endet nun, 
bevor ich mich in kitschigen Liebeserklärungen an mein Pferd verliere. 

P.S.: 
Vielen Dank für die vielen Kommentare zu den Blogeinträgen!
Die habe ich erst gestern Abend gefunden. 

Blick in ´s Jenatal


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